Daniela Kolbe, stellvertretende. SPD-Vorsitzende SV Leipzig, geboren im thüringischen Schleiz ging nach dem Abitur in Jena zum Studium nach Leipzig und blieb dort auch nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums als Diplom-Physikerin. Ihr politisches Engagement begann bei den Falken, einem politischen Kinder- und Jugendverband. Später war sie dann auch bei den Jusos und in der SPD aktiv.
Von 2004 bis 2009 war sie Vorsitzende der Leipziger Jusos, seit 2006 ist sie stellvertretende Vorsitzende der SPD Leipzig. Darüber hinaus engagiert sich Frau Kolbe in zahlreichen Initiativen. Zum Beispiel im „Netzwerk für Demokratie und Courage" gegen Rechtsextremismus, in der Bürgerinitiative "Leipzig braucht ein Sozialticket" und bei den Projekttagen für Demokratie und Mitbestimmung für eine bessere Ausbildung in Sachsen.Seit Oktober 2009 ist Frau Kolbe Mitglied des Deutschen Bundestags in der SPD-Fraktion mit Schwerpunkt im Innenausschuss und im Ausschuss für Bildung und Forschung. In der SPD-Bundes-tagsfraktion ist sie zudem stellvertretende Sprecherin der Arbeitsgruppe Strategien gegen Rechtsextremismus, sowie stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung. Seit Januar 2011 leitet sie als Vorsitzende die neu eingerichtete Enquete-Kommission „Wachs-tum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestags.
Zurzeit spricht jeder vom wirtschaftlichen Aufschwung und der Überwindung der Krise. Glauben Sie, dass der Aufschwung schon bei allen angekommen ist?
Seit einigen Jahren bemerken wir immer stärker, dass Wirtschaftswachstum nicht automatisch zu mehr Lebensqualität führt. Es war ja schon beim letzten Aufschwung so, dass er nicht bei allen Menschen ankam, und auch bei diesem Aufschwung ist es ähnlich.
Aus eben diesem Grund, weil ein reines Wachstum des BIP (Brutto-inlandsprodukt) nicht automatisch zu mehr Lebensqualität führt und zudem noch Effekte wie Umweltzerstörung und Ressourcenverbrauch beinhaltet, hat der Deutsche Bundestag eine Enquête eingerichtet, die der Frage nachgehen soll, was gesellschaftlicher Fortschritt im 21. Jahrhundert ist.
Wir wollen einen Fortschritts-Indikator entwickeln, den wir dem BIP zur Seite stellen und der dazu führt, dass die Politik nicht nur auf Wachstum schielt, sondern auch andere Fragen im Blick behält, wie die der Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und des sozialen Ausgleichs.
Würden Sie in Regierungsverantwortung in der Bildungspolitik neue Akzente setzen und
welche?
Die Bildungspolitik ist eine der entscheidenden Zukunftsfragen für unsere Gesellschaft. Die jetzige Regierung setzt jedoch die falschen Akzente. Mit dem Nationalen Stipendienprogramm werden nicht mehr Menschen ein Studium aufnehmen. Mit dem Bildungspäckchen von Frau von der Leyen wird Kinderarmut sicher nicht gelindert und mit dem geplanten Betreuungsgeld, werden Kinder eher von Bildung abgehalten. Die SPD fordert deshalb unsere Bildungseinrichtungen besser auszustatten und auszubauen. Wir brauchen mehr gute KiTa-Plätze mit gut ausgebildeten Erzieher/-innen, wir brauchen Sozialarbeiter/-innen an den Schulen und wir brauchen ein Verständnis dafür, dass wir Bildung nicht kleinstaaterisch betrachten können. Bildung muss Gemeinschaftsaufgabe von Bunde und Ländern werden.
Das Thema lebenslanges Lernen wird immer wichtiger. Welche Konzepte haben Sie und Ihre Partei in diesem Punkt?
Wir steuern geradewegs auf einen Fachkräftemangel zu. Gleichzeitig wissen wir, dass fünf Millionen erwachsene Menschen in Deutschland keine abgeschlossene Berufsausbildung haben und immer noch viele Menschen sehr früh, und oft nicht wirklich freiwillig, in den Ruhestand gehen. Dieser Umstand zeigt, dass wir zukünftig viel stärker auf Weiter- und Fortbildung setzen müssen. Auch die Finanzierung muss gesichert sein, etwa über BAföG auch für Ältere. Denn es wird darauf ankommen, dass wir zukünftig das Potential, das in unserer Gesellschaft vorhanden ist, noch viel stärker nutzen.
Bitte stellen Sie uns kurz die wesentlichen bildungspolitischen Eckpunkte dar, in Bezug auf die immer älter werdende Zielgruppe
der Berufstätigen?
Es wird darum gehen, auch Menschen, die im Berufsleben stehen, weiterzubilden und ihnen vielleicht sogar noch einmal eine Ausbildung zu ermöglichen. Dazu müssen Staat, Unternehmen und Bildungsträger noch viel stärker zusammen arbeiten, als das bisher der Fall ist. Wesentlicher Punkt für die SPD ist es zudem, auch die Menschen, die in der Bildungsarbeit tätig sind, in den Blick zu nehmen. Dort wird wertvolle Arbeit geleistet, die auch entsprechend vergütet werden muss. Ein angemessener Mindestlohn in der Weiterbildung muss deshalb endlich eingeführt werden.
Welche Konzepte bietet Ihre Partei um dem Anspruch von Vernetzung Schule und Wirtschaft gerecht zu werden?
Die Unternehmen haben mittlerweile ein immer stärkeres Interesse, mit Schulen zu kooperieren. Das liegt allein schon daran, dass es zunehmend schwieriger wird, geeignete Azubis zu finden. Dieses Engagement gilt es zu nutzen, damit Schüler/-innen sich schon früh im Berufsfeld orientieren können.
Allerdings ist Schule mehr als das Heranziehen von jungen Menschen für die Unternehmen. In der Schule sollen sich mündige Bürger entwickeln, deshalb wollen wir keine alleinige Ausrichtung der Schule an wirtschaftlichen Interessen.
Wie motivieren Sie sich selbst bei Ihrer anspruchsvollen politischen Aufgabe?
Meine Motivation kommt aus meinem tief empfundenen Gefühl, dass es möglich und nötig ist, diese Gesellschaft zu gestalten und gerechter zu machen. Um die Motivation lebendig zu halten, finde ich es ganz wichtig, auch Ruhephase im Leben zu haben, sei es über Weihnachten oder an einem entspannten, freien Wochenende mit Freunden.